Zunächst vermag sich mir mein nächster Windschatz in Bad Herfsfeld noch nicht zu offenbaren: Beinahe furchterregende Schlagermusik in brüllender Lautstärke macht es mir zunächst nicht leicht, meine Sinne achtsam für alles zu öffnen, was ist. Immerhin weiß das Frühstück im „News Café“, nahe der Stiftsruine, mein Gemüt zu befrieden.
Vorangegangene Kursbestimmung: Pfaffenwald bei Blitzenrod
Wind wehte knapp 1 km/h Richtung Nord-Ost
Ich beende mein Frühstück dennoch und lande auf der Flucht vor „Allein in Amsterdam“ vor der Stadtkirche, einem gotischen Bau aus dem 14. Jahrhundert. Vor dem Haupteingang erhole ich mich mit meinem Hund Nando bei einer Meditation auf einem „Steinhocker“. Ein angenehm duftender, kühler Wind und wohlige Stille um mich herum: ein Kraftort, mein Schatz?
Geradezu beseelt schlendere ich anschließend zurück zur Stiftsruine. Denn genau hier soll er laut Kursbestimung irgendwo sein: mein nächster Schatz. Gerade laufen die Vorbereitungen für eine Aufführung der Hersfelder Festspiele. Vielleicht ist es das? Sollte ich mir das Stück anschauen?
Ein junger Mann spricht mich an, um mir eine christliche Broschüre anzubieten. Er ist mir auf Anhieb sympathisch und es gehört nunmal zur Idee des Windreisens, freundlich für alles, was mir auf der Reise begegnet, zu öffnen, dennoch äußere ich klar meine Vorbehalte gegenüber Religion im Allgemeinen und dem Christentum im Besonderen. Es entwickelt sich trotzdem ein bemerkenswertes Gespräch.
„Ich lerne von Dir, Du von mir“
Er heißt Marcel und ist 17 Jahre alt. Vor wenigen Monaten habe er sich dazu entschlossen, ganz dem Weg von Jesus zu folgen, sagt er. Er verzichte seitdem auf Parties, Drogen und Frauengeschichten. Marcel ist intelligent, aufgeschlossen und fern von missionarischem Eifer. Seine Broschüren nutze er, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. „Ich lerne von Dir und Du von mir“, sagt er und lächelt mich mit leuchtenden Augen offen an.
Auf hohem Niveau tauschen wir uns aus über Spiritualität, Wohlstandsstreben und Lebensglück. Er ist interessiert an meinem Windnomadentum und möchte es sehr bald selbst mal ausprobieren. Ich bin begeistert von seinen tiefen Einsichten, die sich schon in seinen jungen Jahren fernab von religiöser Verbohrtheit zu entwickeln scheinen. Er ist in einer babtistischen Jugendgruppe, berichtet Marcel.
Über eine Stunde lang unterhalten wir uns auf einer schattigen Bank mit Blick auf die Stiftsruine, ohne uns gegenseitig bekehren zu wollen. Wir sind beide überrascht, über diese unerwartete Begegnung.
So habe ich meinen nächsten und vorläufig letzten Schatz meiner ersten Windnomaden-Reise gefunden. Hier an der Stiftsruine in Bad Hersfeld. Es ist die Begegnung mit Marcel..