Es ist ein sonniger Mittwoch Ende August. Schon seit Tagen plane ich endlich wieder mal eine weitere Windreise, starre wie gebannt auf die meteorologischen Prognosen. Die Reisetasche ist gepackt, aber es regt sich kein Lüftchen. Und ohne Wind ist so eine Windreise schlichtweg nicht durchführbar.
Heute aber radle ich zu einer Brücke über den nahe gelegen Mittelkanal und immerhin, ich jubiliere: mit sagenhaften 35 km/h saust eine Böe an mir vorbei, Richtung Westen.
Also, auf geht„s RocknRoll: Hund und Reisetasche in den Sprinter und los. Wölpinghausen heißt das Ziel, laut Karte. Noch nie gehört? Ich auch nicht. Der Hund ist ganz aufgeregt, so wie ich. Ein neues Abenteuer wartet auf uns. Ich staune, wie bergig es ist, im Schaumburger Land – so nennt man diese Gegend, glaube ich.
Hier gibt es keine Gastronomie oder Einkaufsmöglichkeiten
Vorbei an beinahe spektakulären Aussichtspunkten bis hin zum Steinhuder Meer erreiche ich schließlich mein erstes Ziel: Wölpinghausen ist klein und hügelig. Hier gibt es keine Gastronomie oder Einkaufsmöglichkeiten. Den Bus stelle ich auf einen ausgewiesenen Stellplatz für Wohnmobile. Es ist ruhig dort und wir fühlen uns wohl. Die sogenannte “kleine Freiheit” nebenan lädt regelmäßig zu kulturellen Veranstaltungen und jeden Donnerstag zu einer open stage session. Heute aber bleibt es ruhig.
Abendrunde mit Kleinod
Unser abendlicher Spaziergang führt uns durch den langsam immer dunkler werdenden Wald, vorbei an einem kleinen Schlösschen, Das “Mattenschlösschen”, wie ich später erfahre, ist heute im Privatbesitz und gehörte einstmals so einem Lungenarzt von anno einstmals – kann man ja bei Interesse googeln. Ich bin verzückt.
Das goldene Licht der untergehenden Sonne findet seinen Weg durch spätsommerlich belaubte Bäume bis zu uns. In der Dämmerung finde ich geradeso wieder zurück zu unserem Schlafplatz. Schon jetzt jubiliert es in mir vor Freude des Unterwegsseins mit dem Wind.
Wieder weht kein Wind
Früh weckt mich nach erholsamen Schlaf die aufgehende Sonne und wieder: Windstille.. Soll es das schon gewesen sein? Laut Karte gibt es in der Nähe im Wald einen hohen Turm. Dort sollte doch ein Lüftchen zu finden sein, mutmaße ich. Ein beschwerlicher Weg durch den Wald führt tatsächlich bergan. Der Hund hat schon keine Lust mehr. Mich aber treibt es hinauf zum Wind. Wir brauchen einen Kurs.
Dann, nach beschwerlichem Aufstieg der große Schreck: der Turm ist verschlossen und kann nicht bestiegen werden. Enttäuschte Touristen hatten bereits ihren Unmut darüber an die Hinweisschilder gekritzelt. Ich wähne meine Windreise schon am Ende. Da kommt mir ein nahe gelegener Aussichtspunkt wieder in den Sinn, den ich schon auf der Anreise durch Zufall entdeckt hatte: die Bergkircher Schutzhütte liegt exponiert an einem Berghang mit atemberaubender Weitsicht bis zum Steinhuder Meer. Von hier oben begreife ich erst, ,woher die Bezeichnung Steinhuder “Meer” stammen könnte und von hier finde ich auch eine Böe, die uns mit immerhin 20 km/h weiterträgt, wieder geht es in den Westen, wieder habe ich keine Ahnung, was uns am nächsten Ziel erwartet.
Wir landen auf einem fremden Planeten mit mit Dinosauriern
So geht es also weiter von Ziel zu Ziel, bis zum Bückeberg. Hier war ich offenbar vor vielen Jahren schon mal gewesen, staune ich vor Ort, kommen mir doch schon die Hinweise auf Dinosaurierspuren und der idyllisch gelegene Parkplatz im Wald sehr bekannt vor.
Ja, hier wollen wir gerne eine Nacht verbringen, also zumindest ich mag das. Der Hund äußert sich nicht gegenteilig, also setze ich sein Einverständnis voraus.
Um uns ist nicht nur hügeliger Mischwald, den wir auf unser traditionellen Abendrunde erkunden, sondern ein bizarr zerklüftetes Gelände, wie auf einem fernen Planeten: ein Sandsteinbruch. Die Karte verspricht “Skulpturen” im Wald. Die wecken mein Interesse, auch weil sie vor Ort auf keinem Hinweisschild erwähnt sind. So erkunden wir gemeinsam in den frühen Abendstunden diesen fremden Planeten. Schlauerweise setzt der Hund hin und wieder Markierungen, so bin ich für den Rückweg nicht nur auf das Kartenmaterial von open street map angewiesen. Wir begegnen einem freundlichen Reisenden aus Tschechien, auch auf seiner Karte sind die Skulpturen verzeichnet. Wir verständigen uns auf englisch und begeben uns gemeinsam auf die Kunstpirsch durch den Wald.
Ich bitte ihn um ein Foto und er fragt, ob es von mir und dem Hund sein solle. Irritiert betätige ich das und bedaure inzwischen, kein Foto von ihm gemacht zu haben. Ich vermute, er ist ein Abenteurer auf der Jagd nach Dinosauriern oder Aliens – jedenfalls ein sympathischer, freundlicher, gut aussehender Weggefährte für wenige Minuten. Dämmerung setzt ein und ich möchte sicherheitshalber den Rückweg antreten. Wie gehofft navigiert uns der Hund zurück zu unserem Stellplatz im Wald, den wir die ganze Zeit nur für uns haben. Der Hund hatte sichtlich seine Freude daran, für uns den richtigen Pfad über Hügel durch den weglosen Wald zu erschnüffeln. Unzufrieden aber scheint er zu sein, mit dem neuen Platz, den ich ihm im Bus zuvor zugewiesen hatte. Viel zu früh wird er am Morgen danach dann auch wach. Ich hatte schon am Abend mit Bedauern in Betracht gezogen, meine Windreise beenden zu müssen. Und tatsächlich weht am frühen Morgen kaum eine Böe an uns vorbei. Ein leuchtender wolkenloser Himmel ruft aber dennoch nach einer Fortsetzung unser Windreise.. Also suche ich einen nahegelegenen Aussichtspunkt auf, der laut Karte exponiert sein soll. Es ist dann doch nur eine Sitzbank auf einem Golfplatz, mit immerhin 15 km/h weht der Wind von hier oben wieder gen Westen. Also, darf es dann doch noch weitergehen für uns.
Von Ziel zu Ziel zu Ziel zu Ziel …
In unserem neuen Zielgebiet befindet sich ein Picknickplatz mit Tisch und Schutzhütte, nahe der Weser bei Petershagen in Nordrhein-Westfalen. Schön ist es hier. Hier bleiben wir für die letzte Nacht dieser Windreise.In Petershagen ist Altstadtfest mit Flohmarkt. Das möchte ich mir nicht entgehen lassen und finde dort tatsächlich eine Djemde. Ich zögere nur kurz und kaufe die afrikanische Trommel von einer freundlichen Frau, die mir versichert, die selbst habe das Instrument aus Ghana nach Deutschland gebracht. Für mich wird es eine klingende Erinnerung an eine beglückende und bereichernde Reise mit Hund und Wind.
Das hast du schön beschrieben. Man hat das Gefühl, selbst dabei zu sein. Ich freue mich schon auf viele weitere Windreisen(schilderungen).