Nun also gehe ich erstmals in der Region Hannover auf Wind-Tour. Ich kenne die ganze Gegend sehr gut. Wie soll ich hier noch Wunder entdecken, also Schätze finden, die ich zuvor noch nicht entdeckt hatte?
Die Windmessung mache ich an diesem frühen, sonnigen Samstagnachmittag direkt von dem Balkon im vierten Stock einer Wohnung in Hannovers Nordstadt. Um die Windrichtung zu bestimmen, nutze ich mein neues „Seifenblasen-Schwert“. Das heißt wirklich so und sieht aus, wie ein Dildo. Dieser Blasen-Dildo ist quietschgelb und passt somit farblich großartig zu meinem Anenometer. Das zeigt eine heute eine Windgeschwindigkeit von 5 km/h. Die Seifenblasen steigen in den Himmel in Richtung Nord-West. Auf der Karte ist dort ein See verzeichnet: der Südsee. Ich bin im Sommer gerne dort zum Nacktbaden mit dem Hund – ein hübscher Badesee in unmittelbarer Nähe zu einer Autobahn. Da soll nun also mein nächster Windnomaden-Schatz liegen?
Auf der schmalen Straße, die zu dem See führt, parken Lkw aus Polen, Rumänien und Bulgarien. Die Fahrer sind auch Nomaden. Sie aber reisen nicht, wie ich, mit dem Wind. Ich steige aus meinem Bus, atme tief durch, um zur Ruhe zu kommen. Ohne innere Ruhe finde ich meinen Schatz nie. Ich nehme erstmal einfach nur wahr und öffne meine Sinne für alles, was ist. Am Wegesrand fällt mir sofort ein Baum auf. Er wächst quer aus dem Boden – nicht senkrecht, sondern horizontal und hat Knospen, lebt also noch. Mein Schatz? Das ging ja schnell. Ein bisschen zu schnell, denn mein Zeitfenster öffnet sich erst in knapp zehn Minuten. Dann nämlich wären meine Seifenblasen, die ich von meinem Balkon auf den Weg geschickt hatte, hier angekommen. Also schlendere ich doch noch bis zum Südsee.
Familien grillen und spielen Federball. Ich blicke über das Wasser und entdecke einen Vogel, der in sonderbaren Zick-Zack-Bewegungen über der Wasseroberfläche fliegt. Ein Steg aus Metall führt vom Ufer wenige Meter aufs Wasser. Von dort kann ich den vermeintlichen Vogel gut erkennen. Dicht fliegt er an mir vorbei und ich erkenne: Es ist eine Fledermaus am helllichten Tage. Es wird wohl eine Breitflügelfledermaus sein. So etwas habe ich zuvor noch nie gesehen und sofort ist mir klar: Diese Tages-Fledermaus über dem Südsee bei Hannover ist mein nächster Schatz.
Die Welt, so wie sie ist
Unterdessen haben sich zwei Kinder zu mir gesellt. Lautstark poltern sie über den scheppernden Metall-Steg und sind dabei so tollpatschig, dass ich fürchte, sie könnten ins Wasser stürzen. Ein Mädchen stolpert mir schließlich absichtlich oder ungeschickt in den Schoß. Die Frühlingssonne wärmt mein Gesicht. Ich schließe die Augen und meditiere mit einem hörbaren „Om“. Das Mädchen schaut mir dabei aus nur wenigen Zentimetern Entfernung direkt ins Gesicht. Das irrtitiert mich etwas. Kinder sind super! Für sie ist die Welt noch so wie sie ist – nämlich voller Wunder.