Dieses Mal lasse ich mich vom Wind bewusst durch einen Wald treiben – zum Waldbaden, ganz im Sinne der japanischen Tradition des shinrinyoku.
Seit ich bei der Recherche für einen Reisebeitrag für den Deutschlandfunk mit Deutschlands bekanntester Waldbaderin Annette Bernjus am eigenen Leib das Waldbaden erfahren durfte, habe ich damit begonnen, mit dem Wind, durch einen Wald zu reisen und diesen ganz im Sinne der japanischen Tradition des Shinrin Yoku achtsam wahrzunehmen und darin einzutauchen. Die Waldbaderin Bernjus war gleichermaßen derart begeistert von meiner Idee des Reisens mit dem Wind, dass sie unterdessen selbst damit experimentiert und darüber berichtet. Weil ich ohnehin gerade im Wendland auf Recherche bin, habe ich die Göhrde für meine Windtour mit Waldbaden auserkoren. Es ist der größte zusammenhängende Mischwald in Norddeutschland und eignet sich ganz hervorragend für meine Zwecke: Auf den Gipfeln unzähliger kleiner Hügel finden Windböen immer wieder die Gelegenheit, mich von einem Bestimmungsgebiet ins nächste zu tragen. Diesen Winden gebe ich mich ganz und gar hin und verbinde mich schon auf diese Weise mit den Kräften der Natur, bevor ich mich dann mit all meinen Sinnen achtsam mit dem Wald verbinde – darin bade. So lege ich zu Fuß quer durch den Wald Entfernungen von 150 bis 300 Meter von einem Bestimmungsort zum nächsten zurück. Vier Orte verzeichne ich so nacheinander auf meiner ¨Schatzkarte¨.
Der Wald rund um Dübbekold und den Ort Göhrde ist so vielseitig – langweilig wird es nie. Im Gegenteil: die Touren jenseits der Pfade über Laub, Moos, Hügel und durch Gestrüpp erweisen sich als echte Abenteuer, meine Bestimmungsgebiete als zauberhafte Orte des Innehaltens.
Meine Startpunk finde ich im Ort Dübbekold, nahe dem Bio-Hotel „Kenners Landlust“ und dem „Naturum Göhrde“ – einem Museum über die nachhaltige Symbiose zwischen Mensch und Wald. Passender geht´s nicht oder? Schließlich geht es beim Waldbaden unter anderem ja genau darum. Ich möchte eine Symbiose eingehen mit dem Wald und er mit mir. Ein großes Areal mit Klangspielen und Schwingungsintallationen von Dr. Bäuerle stimmen prächtig zum Eintauchen in den umgebenen Wald ein.
Eine natürliche Waldbühne auf dem Gelände wird zu meiner Startplattform. Von hier bestimme ich den ersten Kurs der Wind-Tour. Es pustet mich etwa 220 Meter tief ins bewaldete Ungewisse: das Abenteuer beginnt.
Sonnenstrahlen finden ihren Weg durch die noch unbelaubten Baumkronen und legen ihre warmen Finger auf mein Gesicht. Mit meinen eigenen Fingern erkunde ich den Wald, ertaste Baumrinden, bette mein Gesicht in Moos, rieche an Laub,, lausche dem Gesang der Vögel. Mit einer leichten Hatha-Yoga-Übung bemühe ich mich, die Energie meines Bestimmungsortes aufzunehmen und meine eigene abzugeben in die unendlich wirkende Weite zwischen den Bäumen um mich herum.
So lasse ich mich vom Wind treiben, der mich zunehmend von der Schwerkraft meiner Gedanken befreit. So gelingt es mir immer besser, diese zauberhafte Umgebung nicht mehr durch den Gedanken-Nebel meiner Bewertungen, Kommentare und Analysen wahrzunehmen. Ja, ich bin wirklich da und verbinde mich mit dem Wald.